Die Bremer ZwischenZeitZentrale: Schlafende Gebäude wecken
ÜberseestadtOb eine ehemalige LKW-Abfertigung, die zur Filmkulisse umfunktioniert wird oder die temporäre Hafenbar Golden City – die Zwischennutzungsideen in der Überseestadt sind vielfältig.
Die Bremer Überseestadt ist eines der größten städtebaulichen Entwicklungsprojekte Europas. Über einen Zeitraum von etwa 25 Jahren entsteht hier ein Stück neue Stadt. Das geht nicht von jetzt auf gleich und selten ohne kreative Zwischennutzungskonzepte – zum Beispiel von der Bremer ZwischenZeitZentrale.
Ob Pop-Up-Store oder vereinzelte Projekte zur Zwischennutzung: Ideen für eine temporäre Nutzung leerstehender Ladenzeilen oder Räumlichkeiten gibt es in vielen Städten. Bremen bildet dabei jedoch eine Besonderheit, denn hier versuchen städtische und politische Akteure die Zwischennutzung als Instrument der Stadtentwicklung zu etablieren. Seit mittlerweile neun Jahren nutzt die Stadt dieses Prinzip, um leerstehende Gebäude zu bespielen oder für längerfristige Perspektiven zu entwickeln – auch in der Überseestadt. Die zentrale Anlaufstelle für Eigentümer, Entscheidungsträger und potenzielle Zwischenmieter ist die ZwischenZeitZentrale Bremen (ZZZ). Ihr Ziel: Leerstehende Räume zu vergünstigten Konditionen gegen befristete Nutzung anbieten. Die Aktivitäten der ZZZ reichen dabei von der Initiierung der Projekte über die Unterstützung im Hintergrund bis zur Vermittlung von Kontakten. Daniel Schnier, Oliver Hasemann, Anne Angenendt und Sarah Oßwald sehen sich dabei nicht nur als Vermittler, sondern wollen auch selbst etwas bewegen.
Besucht man Diplom-Ingenieur Oliver Hasemann von der ZwischenZeitZentrale, bekommt man gleich einen Einblick in die praktische Umsetzung – denn die Akteure der ZZZ haben das vierstöckige Verwaltungsgebäude der ehemaligen Könecke Wurstwarenfabrik im April 2016 angemietet und an diverse Programmierer, Musiker und Künstler untervermietet. Zwischen alten Fahrradschuppen und stillgelegten LKW-Rampen ist in Sebaldsbrück ein Ort für Kreative entstanden, der „Wurst Case“. Nur ein paar alte Plakate, ein Schild an der Tür und eine Glasvitrine mit verschiedenen Wurstprodukten erinnern noch an die einstigen Zeiten der alten Wurstwarenfabrik.
Erstes Büro der ZwischenZeitZentrale in der Überseestadt
Ihre Anfänge hat die Bremer ZwischenZeitZentrale jedoch in der Überseestadt, denn dort hatten die Initiatoren ihren ersten Arbeitsplatz. Von 2008 bis 2015 waren sie gemeinsam mit Akteuren aus der Kreativwirtschaft in den Räumen der alten LKW-Abfertigung des Zollamts Hansator zu finden. „Wir sehen in leerstehenden Gebäuden ein großes Potenzial“, sagt Hasemann. „Denn gleichzeitig gibt es viele Menschen mit guten Ideen, die Räume oder Orte suchen.“ Die Nutzungsmöglichkeiten waren vielfältig: So wurde die Abfertigung für einen Tatort-Dreh zum Polizeirevier umgebaut und diente 2014 als Filmkulisse. Mithilfe der ZwischenZeitZentrale wurden in der Überseestadt außerdem bereits einige Open-air-Projekte umgesetzt. Hasemann: „Viele Projekt sind Wegbereiter für weitere.“ Potenzial sieht der Diplom-Ingenieur auch in der ehemaligen Fabrik von Kaffee HAG im Holzhafen. Die Hochschule für Künste nutzte die Räumlichkeiten schon für diverse Ausstellungen und ein Teil ist bereits vermietet. „Das ist immer mal wieder ein interessantes Objekt für Zwischennutzungskonzepte“, sagt Hasemann.
Bremer Quartiere mit langfristigen Perspektiven neu beleben
Seit 2008 öffnet die ZZZ Haustüren und Zeitfenster – doch hinter diesem einfach klingenden Konzept steckt ein komplexes Aufgabenspektrum: Die Initiatoren der ZZZ spüren Leerstände auf, sprechen Interessenten an, klären rechtliche Fragestellungen, holen Genehmigungen ein, sprechen mit Politik und Verwaltung über Nutzungskonzepte, kalkulieren Kosten, werben zusätzliche Spendengelder ein und erarbeiten eigene Nutzungsideen. Mit ihren Aktivitäten möchten Hasemann und Schnier Bremer Quartiere, die von Leerstand betroffen sind, neu beleben und kulturelle Aktivitäten anstoßen. Dabei geht es ihnen nicht nur um kurzfristige Nutzungen, sondern im besten Falle um langfristige Perspektiven – auch wenn es für die Zwischenmieter an einem anderen Ort weitergeht.
Kreative fördern, Leerstand minimieren, Stadtteile aufwerten
Inzwischen sind in Bremen mehrere Ressorts mit unterschiedlichen Schwerpunkten in das Projekt Zwischennutzung involviert: Die Senatorin für Finanzen, der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr Stadtteile sowie der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen fungieren als Träger, während der Senator für Kultur sowie die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) in der entsprechenden Lenkungsgruppe aktiv sind. Die Ziele sind vielfältig und reichen von der Reduzierung laufender Kosten durch Leerstände, über die Belebung von Stadtquartieren bis hin zur Förderung von Start-ups und Kulturschaffenden mit Räumen.
Deswegen sind auch die Projekte der ZZZ unterschiedlichster Natur – angefangen bei eher wirtschaftlich orientierten Ansätzen für Start-ups bis hin zu kurzen Nutzungen für Kunstausstellungen und Theateraufführungen. 2014 initiierten Hasemann und Schnier beispielsweise gemeinsam mit der Schwankhalle und dem Alsomirschmeckts-Theater e.V. eine Tanzperformance von Choreograph Tim Gerhards im Bunker Lloydstraße. Auch Frauke Wilhelm, Initiatorin der temporären Hafenbar „Golden City“, bekam bei der Umsetzung ihres kulturellen Programms am Europahafen in der Überseestadt Unterstützung der ZwischenZeitZentrale.
Überseestadt soll von der Neubelebung des Lankenauer Höft profitieren
Die Anfragen bei der ZZZ reichen von professionellen Eventmanagern, die ein Festivalgelände suchen, bis hin zu Menschen, die sich mit einer Idee ausprobieren wollen, aber auf dem regulären Weg keine geeigneten Räumlichkeiten bekommen würden. „Es gibt ausreichend Leerstände in Bremen, mit denen man etwas machen kann“, ist Oliver Hasemann überzeugt. Auch von der Neubelebung des Lankenauer Höft verspricht sich der Akteur der ZwischenZeitZentrale viel: Jahrzehnte war es ein beliebtes Ziel für Radfahrer, nun sollen Künstler und Kulturschaffende in enger Zusammenarbeit mit Akteuren aus der Pusdorfer Nachbarschaft im Rahmen einer Zwischennutzung eine Sommeroase im Industriegebiet schaffen. Denkbar sind Veranstaltungsräume, Atelier- und Ausstellungsflächen, Büros für Start-Ups oder Selbsthilfewerkstätten für Rad und Schiff. Hasemann: „Das ist auch für Bewohner der Überseestadt interessant.“
Informationen zur allgemeinen Entwicklung der Überseestadt und freien Bauflächen erhalten Sie bei Dagmar Nordhausen, Tel. +49 (0)421 9600 252, dagmar.nordhausen@wfb-bremen.de und Jons Abel, Tel. +49 (0)421 9600 613, jons.abel@wfb-bremen.de
Autorin: Insa Lohmann
Erfolgsgeschichten
Einst herrschte im Überseehafen rege Betriebsamkeit. Wo Schiffe aus aller Welt an- und ablegten und Container verladen wurden, wächst heute die Überseestadt. In ihrem künstlerisch verdichteten Audiowalk lässt Regisseurin Katrin Bretschneider den ehemaligen Hafen durch Musik, Klänge, O-Töne und vereinzelte Bilder vor dem inneren Auge eine Zeit lang wieder auferstehen.
Mehr erfahrenIm Schuppen Eins entsteht auf mehr als 1.500 Quadratmetern ein neues Behandlungs- und Präventionszentrum – mit einem für Bremen einzigartigen Konzept. Besonders daran ist das Medical Hub, das Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit bietet, eine Praxis zu mieten und Verwaltungsaufgaben gegen Gebühr abzugeben. Welche Vorteile DRVN noch mit sich bringt, erläutert CEO Melanie Stade.
Mehr erfahrenDas „Zukunftsquartier Piek 17“ ist die letzte freie Entwicklungsfläche in der Bremer Überseestadt und umfasst eine Fläche von etwa 16 Hektar. An der sogenannten Hafenkante sollen innovative Lösungen für urbane, gewerbliche und kulturelle Anforderungen zusammenkommen, um einen modernen und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort zu schaffen. Valerie Hoberg und Sven Jäger von der Wirtschaftsförderung Bremen sprechen über den aktuellen Stand.
Mehr erfahren