Fünf spannende Architekturprojekte in der Überseestadt
StadtentwicklungEin Rundgang durch das Quartier mit dem Bremer Zentrum für Baukultur
In der Überseestadt findet man eine bunte Mischung aus revitalisierten Altbauten und moderner Architektur. Im ehemaligen Hafengebiet werden historische Hafenspeicher mit neuen Nutzungen und Neubauten in der Nachbarschaft kombiniert, um Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur miteinander zu verbinden. Wir haben uns mit dem Bremer Zentrum für Baukultur auf einen Architekturspaziergang durch die Überseestadt begeben und fünf ausgewählte Gebäude genauer in Augenschein genommen.
Speicher XI
Wir starten unseren Spaziergang am imposanten Speicher XI, in dem das Bremer Zentrum für Baukultur fast 20 Jahre lang sein Domizil hatte, bevor es an den Wall in der Altstadt umgezogen ist. Der Speicher XI steht als historisches, ursprünglich zweiteiliges und 1947 durch einen Zwischenbau verbundenes Bauwerk wie kein anderes für die Entwicklung der Überseestadt und wurde 1994 als Industriedenkmal unter Schutz gestellt. Erbaut um 1912 stand das rund 400 Meter lange Speichergebäude in den 90er-Jahren längere Zeit leer. Der weitsichtigen Initiative des Bauunternehmers Dr. Klaus Hübotter war es zu verdanken, dass ein neues Nutzungskonzept für das Bestandsgebäude entwickelt werden konnte. Auch für den Um- und Ausbau des Speichers XI als Standort der Hochschule für Künste (HfK) und des Hafenmuseums Bremen zeichnete Hübotter verantwortlich.
Im vorderen Bereich wurde das alte Erschließungssystem über zu den Ladeluken offene Treppenhäuser beibehalten und durch einen Aufzug ergänzt. Für den Bereich der HfK waren größere Umbauten nötig. So verläuft auf allen vier Etagen ein 200 Meter langer Flur, der als interne Straße, von der Seite und von oben belichtet wird. Um das zuvor aus Feuerschutzgründen an der Nordseite fensterlose Gebäude zu belichten, wurde es mit großen Fensterflächen versehen, die einen interessanten Kontrast zur Front des Gebäudes bilden.
„Diese ersten Umnutzungsprojekte wie der Speicher XI und dann der Speicher Eins haben nochmal gezeigt, dass es Interessenten für solche Flächen mit Industriecharakter in Bestandsgebäuden gab. Das führte dazu, dass auch andere Gebäude dann doch überlebt haben, bei denen der Erhalt zunächst vielleicht nicht so klar war“, führt Jörn Tore Schaper aus.
BlauHaus
„Das nächste Projekt erwartet man auf den ersten Blick vielleicht nicht in einem Stadtteil wie der Überseestadt, von dem viele glauben, dass es hier nur teure Wohnungen gibt. Das war zunächst vielleicht so, inzwischen setzt man aber auf eine größere Vielfalt im Quartier. Trotzdem ist das BlauHaus mit seiner Mischung aus guter Architektur und den sozialen Funktionen mit Sicherheit noch ein besonderes Projekt“, erläutert Schaper. So gilt es als Leuchtturmprojekt der Integration und Inklusion und ist auch ein wichtiger Baustein für die Belebung des Quartiers. Es ermöglicht Menschen mit und ohne Beeinträchtigung innenstadtnahes, eigenständiges Wohnen und schafft eine Alternative zu betreuten Wohnformen.
Das Ensemble nördlich des Kommodore-Johnsen-Boulevards besteht aus drei Gebäuden: Das Haus Nord beinhaltet größtenteils barrierefreie 44 Wohnungen zwischen 30 und 320 Quadratmeter Wohnfläche, während das Haus Süd weitere 40 Wohnungen und eine inklusive Kita beherbergt. Beide Gebäude sind jeweils fünfgeschossig, wobei die einzelnen Etagen jeweils mit einem durchgängigen Aufzug erschlossen werden.
Im Süden befindet sich der Holzbau der Blauen Karawane mit seinem markanten Sheddach, in dessen Inneren verschiedene Werkstätten und die Blaue Manege als Ort für Begegnungen und Veranstaltungen untergebracht sind.
Schuppen Eins
Anfang der 60er-Jahre wurde an der heutigen Konsul-Smidt-Straße 20-26 der zweigeschossige Schuppen Eins, ein Koloss mit einem Stahlbetonskelett, einer Länge von 405 Metern und einer Nutzfläche von über 36.000 Quadratmetern fertiggestellt. Mit seiner neun Meter hohen Decke war das Gebäude für den Umschlag von besonders hohen Waren konzipiert worden und galt seinerzeit als einer der größten und modernsten Schuppen Europas. Die Exportgüter lagerten im Erdgeschoss, die Importgüter im Obergeschoss.
„Die Dimensionen des Gebäudes haben zunächst sicherlich viele abgeschreckt. Es erforderte sowohl von Investoren als auch Architekten Anstrengungen und besondere Lösungen, um neue Nutzungen einzubringen, ohne den Charakter des denkmalgeschützten Gebäudes zu sehr zu verändern“, erzählt Jörn Tore Schaper. So blieben beispielsweise Teile der alten Kranbahn und andere Gebäudeelemente erhalten, als man den Schuppen Eins schonend für eine neue Nutzung als Zentrum für Automobilkultur und Mobilität sowie Büro- und Wohnfläche umgestaltete.
Unter anderem wurden Wände aus Industrieglas eingebaut, um den Boulevard mit den heute darin befindlichen Oldtimern, Werkstätten, Einzelhandel und Gastronomie zu erhellen. Neben der Verwendung solcher Materialien aus dem Industriebau liegen bewusst die Konstruktion und die Versorgung des Hauses teilweise offen, um den ursprünglichen Industriecharakter des Gebäudes zu erhalten. „Das Obergeschoss, zu dem die Nutzer über den Lift mit ihrem Fahrzeug direkt zu ihren Wohnungen und Büros gelangen können, wird über eine in die Gebäudebreite eingeschnittene Straße erschlossen“, erklärt Schaper.
Europahafenkopf
Von Bauwerken mit bewegter Geschichte schlagen wir den Bogen zur Gegenwart und Zukunft: Am Europahafenkopf wurden in den vergangenen Jahren gleich vier imposante Bauwerke in skandinavischer Anmutung aus dem Boden gestampft. Ein Großprojekt, das den Bremer Bauunternehmer Kurt Zech rund 300 Millionen Euro kostet. Die Firmenzentrale der Zech-Group ist mit ihren stattlichen 80 Metern Höhe das größte Bauwerk des Ensembles und prägt als solches das Stadtbild. In Wasserlage befinden sich Mietwohnungen, Büros sowie verschieden große Flächen für Handel, Service und Gastronomie.
Durch den Neubau auf der länger freigebliebenen Brache ist auf einmal ein städtischer Straßenraum entstanden. „Dies ist ein Beispiel, wie sich die Überseestadt immer noch und immer wieder verändert“, sagt Jörn Schaper und lacht: „ Auch eine stetige Herausforderung für die Führungen hier.“ Unter anderem sind hier aber auch Freiflächen entstanden, die es nun noch für verschiedene Nutzer attraktiv zu gestalten gilt. Insgesamt habe der öffentliche Raum in der Überseestadt aus Sicht von Schaper noch Verbesserungspotential, aber er hofft auch: „Der Gesamtprozess ist noch lange nicht abgeschlossen und viele allgemeine Vorstellungen sowie auch konkrete Projektziele haben sich in 20 Jahren gewandelt. Außerdem sammelt man bei einem Projekt dieser Größenordnung und zeitlichen Länge Erfahrungen, die nun bei neuen Projekten und der einen oder anderen Nachbesserung einfließen können.“ Erste Beispiele hierfür seien inzwischen gestartet worden.
Überseeinsel
Unser Spaziergang endet auf der Überseeinsel, die als wegweisendes Stadtentwicklungsprojekt bereits mehrfach ausgezeichnet worden ist. „Für die Überseeinsel haben alle Beteiligten ein sehr ambitioniertes Projekt ausgearbeitet. Es greift viele aktuelle Themen und Fragestellungen auf und reagiert, glaube ich, auf die guten und manche vielleicht auch verbesserungsfähigen Aspekte in der Überseestadt. Gerade auch auswärtige Gäste sind sehr interessiert, wie das Konzept hier nun in Realität umgesetzt werden kann“, berichtet Jörn Tore Schaper von seinen Führungen. Auf dem ehemaligen Frühstücksflocken-Fabrikgelände auf der Muggenburg sollen sich Straßen in den kommenden Jahren in grüne Oasen verwandeln, Plätze in gemütliche Treffpunkte und Stadtviertel in vielfältige Lebensräume, in denen Wohnen, Arbeiten, Lernen und Freizeit harmonisch ineinander übergehen.
Aus dem alten Reislager ist eine riesige Eventhalle mit Gastronomie und Hofladen geworden. In das frühere Kellogg-Verwaltungsgebäude zog eine Ganztagsschule ein und in den einstigen Getreidesilos entstand ein Hotel. Wind und Wasser liefern die benötigte Energie für das verkehrsarm geplante Areal. Die Architektur der Überseeinsel zollt der industriellen Vergangenheit des Ortes Tribut und gestaltet sich zugleich zukunftsorientiert und funktional.
Das Bremer Zentrum für Baukultur
Das Bremer Zentrum für Baukultur ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Förderung und Pflege der Baukultur in und für Bremen widmet. Diesen Zweck erfüllt der Verein durch Aktivitäten in den Bereichen Vermittlung, Diskurs, Sammlung und Forschung. Zu den Haupttätigkeiten gehören Vorträge, Ausstellungen, Publikationen, die Pflege eines Plan- und Fotoarchivs sowie die Ausrichtung der Veranstaltungsreihe Bremer Stadtdialog. Die Räumlichkeiten des Vereins befinden sich Am Wall 165/167 in der Bremer Altstadt.
Architekturführungen in der Überseestadt
Für Gruppen bis maximal 25 Personen bietet das Bremer Zentrum für Baukultur regelmäßig Führungen durch die Überseestadt an. Eine Führung dauert je nach individuellen Wünschen zwischen zwei bis drei Stunden und kann zu Fuß, im eigenen Bus oder sehr gut auch per Fahrrad realisiert werden. Interessierte wenden sich an den Historiker und Kulturwissenschaftler Jörn Tore Schaper unter Telefon 0421/9602136 (Zeiten: montags bis freitags 10 bis 16 Uhr) oder melden sich per E-Mail an info@bzb-bremen.de.
Erfolgsgeschichten
Im Schuppen Eins entsteht auf mehr als 1.500 Quadratmetern ein neues Behandlungs- und Präventionszentrum – mit einem für Bremen einzigartigen Konzept. Besonders daran ist das Medical Hub, das Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit bietet, eine Praxis zu mieten und Verwaltungsaufgaben gegen Gebühr abzugeben. Welche Vorteile DRVN noch mit sich bringt, erläutert CEO Melanie Stade.
Mehr erfahrenDas „Zukunftsquartier Piek 17“ ist die letzte freie Entwicklungsfläche in der Bremer Überseestadt und umfasst eine Fläche von etwa 16 Hektar. An der sogenannten Hafenkante sollen innovative Lösungen für urbane, gewerbliche und kulturelle Anforderungen zusammenkommen, um einen modernen und zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort zu schaffen. Valerie Hoberg und Sven Jäger von der Wirtschaftsförderung Bremen sprechen über den aktuellen Stand.
Mehr erfahrenVom Bierbrauen über Fotokurse, Kaffee-, Tee-Seminare und Kochevents bis hin zur Weinverkostung: In der Überseestadt trifft Genuss auf Kreativität. Verschiedene Workshops und Seminare bieten Interessierten regelmäßig die Gelegenheit, Neues auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln.
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