+49 (0) 421 9600-10
27.6.2024 - Daniela Krause

Fünf spannende Architekturprojekte in der Überseestadt

Stadtentwicklung

Ein Rundgang durch das Quartier mit dem Bremer Zentrum für Baukultur

In der Überseestadt findet man eine bunte Mischung aus revitalisierten Altbauten und moderner Architektur. Im ehemaligen Hafengebiet werden historische Hafenspeicher mit neuen Nutzungen und Neubauten in der Nachbarschaft kombiniert, um Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Kultur miteinander zu verbinden. Wir haben uns mit dem Bremer Zentrum für Baukultur auf einen Architekturspaziergang durch die Überseestadt begeben und fünf ausgewählte Gebäude genauer in Augenschein genommen.

Speicher XI in der Überseestadt
Der historische Speicher XI wird als Element bei Führungen durch die Überseestadt besonders oft nachgefragt. © Jessica Niedergesäß

Speicher XI

Wir starten unseren Spaziergang am imposanten Speicher XI, in dem das Bremer Zentrum für Baukultur fast 20 Jahre lang sein Domizil hatte, bevor es an den Wall in der Altstadt umgezogen ist. Der Speicher XI steht als historisches, ursprünglich zweiteiliges und 1947 durch einen Zwischenbau verbundenes Bauwerk wie kein anderes für die Entwicklung der Überseestadt und wurde 1994 als Industriedenkmal unter Schutz gestellt. Erbaut um 1912 stand das rund 400 Meter lange Speichergebäude in den 90er-Jahren längere Zeit leer. Der weitsichtigen Initiative des Bauunternehmers Dr. Klaus Hübotter war es zu verdanken, dass ein neues Nutzungskonzept für das Bestandsgebäude entwickelt werden konnte. Auch für den Um- und Ausbau des Speichers XI als Standort der Hochschule für Künste (HfK) und des Hafenmuseums Bremen zeichnete Hübotter verantwortlich. 

Im vorderen Bereich wurde das alte Erschließungssystem über zu den Ladeluken offene Treppenhäuser beibehalten und durch einen Aufzug ergänzt. Für den Bereich der HfK waren größere Umbauten nötig. So verläuft auf allen vier Etagen ein 200 Meter langer Flur, der als interne Straße, von der Seite und von oben belichtet wird. Um das zuvor aus Feuerschutzgründen an der Nordseite fensterlose Gebäude zu belichten, wurde es mit großen Fensterflächen versehen, die einen interessanten Kontrast zur Front des Gebäudes bilden.

„Diese ersten Umnutzungsprojekte wie der Speicher XI und dann der Speicher Eins haben nochmal gezeigt, dass es Interessenten für solche Flächen mit Industriecharakter in Bestandsgebäuden gab. Das führte dazu, dass auch andere Gebäude dann doch überlebt haben, bei denen der Erhalt zunächst vielleicht nicht so klar war“, führt Jörn Tore Schaper aus.   

Das inklusive Wohnprojekt BlauHaus in der Überseestadt
Das BlauHaus gilt als Leuchtturmprojekt der Integration und Inklusion und strahlt über Bremen hinaus. © WFB/Sessler

BlauHaus

„Das nächste Projekt erwartet man auf den ersten Blick vielleicht nicht in einem Stadtteil wie der Überseestadt, von dem viele glauben, dass es hier nur teure Wohnungen gibt. Das war zunächst vielleicht so, inzwischen setzt man aber auf eine größere Vielfalt im Quartier. Trotzdem ist das BlauHaus mit seiner Mischung aus guter Architektur und den sozialen Funktionen mit Sicherheit noch ein besonderes Projekt“, erläutert Schaper. So gilt es als Leuchtturmprojekt der Integration und Inklusion und ist auch ein wichtiger Baustein für die Belebung des Quartiers. Es ermöglicht Menschen mit und ohne Beeinträchtigung innenstadtnahes, eigenständiges Wohnen und schafft eine Alternative zu betreuten Wohnformen.

Das Ensemble nördlich des Kommodore-Johnsen-Boulevards besteht aus drei Gebäuden: Das Haus Nord beinhaltet größtenteils barrierefreie 44 Wohnungen zwischen 30 und 320 Quadratmeter Wohnfläche, während das Haus Süd weitere 40 Wohnungen und eine inklusive Kita beherbergt. Beide Gebäude sind jeweils fünfgeschossig, wobei die einzelnen Etagen jeweils mit einem durchgängigen Aufzug erschlossen werden.

Im Süden befindet sich der Holzbau der Blauen Karawane mit seinem markanten Sheddach, in dessen Inneren verschiedene Werkstätten und die Blaue Manege als Ort für Begegnungen und Veranstaltungen untergebracht sind.

Eine Reisegruppe macht Halt am Schuppen Eins in der Überseestadt.
Der Schuppen Eins ist ein hervorragendes Beispiel für eine gelungene Umnutzung historischer Gebäude. Dort befindet sich heute unter anderem eine Oldtimer-Galerie. © Bremer Zentrum für Baukultur

Schuppen Eins

Anfang der 60er-Jahre wurde an der heutigen Konsul-Smidt-Straße 20-26 der zweigeschossige Schuppen Eins, ein Koloss mit einem Stahlbetonskelett, einer Länge von 405 Metern und einer Nutzfläche von über 36.000 Quadratmetern fertiggestellt. Mit seiner neun Meter hohen Decke war das Gebäude für den Umschlag von besonders hohen Waren konzipiert worden und galt seinerzeit als einer der größten und modernsten Schuppen Europas. Die Exportgüter lagerten im Erdgeschoss, die Importgüter im Obergeschoss.

„Die Dimensionen des Gebäudes haben zunächst sicherlich viele abgeschreckt. Es erforderte sowohl von Investoren als auch Architekten Anstrengungen und besondere Lösungen, um neue Nutzungen einzubringen, ohne den Charakter des denkmalgeschützten Gebäudes zu sehr zu verändern“, erzählt Jörn Tore Schaper. So blieben beispielsweise Teile der alten Kranbahn und andere Gebäudeelemente erhalten, als man den Schuppen Eins schonend für eine neue Nutzung als Zentrum für Automobilkultur und Mobilität sowie Büro- und Wohnfläche umgestaltete.

Unter anderem wurden Wände aus Industrieglas eingebaut, um den Boulevard mit den heute darin befindlichen Oldtimern, Werkstätten, Einzelhandel und Gastronomie zu erhellen. Neben der Verwendung solcher Materialien aus dem Industriebau liegen bewusst die Konstruktion und die Versorgung des Hauses teilweise offen, um den ursprünglichen Industriecharakter des Gebäudes zu erhalten. „Das Obergeschoss, zu dem die Nutzer über den Lift mit ihrem Fahrzeug direkt zu ihren Wohnungen und Büros gelangen können, wird über eine in die Gebäudebreite eingeschnittene Straße erschlossen“, erklärt Schaper.

Blick auf den Europahafenkopf in der Überseestadt
Skandinavische Bauart mitten in Bremen: Blick auf das Gebäudeensemble am Europahafenkopf. © WFB/Eva-Christina Krause

Europahafenkopf

Von Bauwerken mit bewegter Geschichte schlagen wir den Bogen zur Gegenwart und Zukunft: Am Europahafenkopf wurden in den vergangenen Jahren gleich vier imposante Bauwerke in skandinavischer Anmutung aus dem Boden gestampft. Ein Großprojekt, das den Bremer Bauunternehmer Kurt Zech rund 300 Millionen Euro kostet. Die Firmenzentrale der Zech-Group ist mit ihren stattlichen 80 Metern Höhe das größte Bauwerk des Ensembles und prägt als solches das Stadtbild. In Wasserlage befinden sich Mietwohnungen, Büros sowie verschieden große Flächen für Handel, Service und Gastronomie. 

Durch den Neubau auf der länger freigebliebenen Brache ist auf einmal ein städtischer Straßenraum entstanden. „Dies ist ein Beispiel, wie sich die Überseestadt immer noch und immer wieder verändert“, sagt Jörn Schaper und lacht: „ Auch eine stetige Herausforderung für die Führungen hier.“ Unter anderem sind hier aber auch Freiflächen entstanden, die es nun noch für verschiedene Nutzer attraktiv zu gestalten gilt. Insgesamt habe der öffentliche Raum in der Überseestadt aus Sicht von Schaper noch Verbesserungspotential, aber er hofft auch: „Der Gesamtprozess ist noch lange nicht abgeschlossen und viele allgemeine Vorstellungen sowie auch konkrete Projektziele haben sich in 20 Jahren gewandelt. Außerdem sammelt man bei einem Projekt dieser Größenordnung und zeitlichen Länge Erfahrungen, die nun bei neuen Projekten und der einen oder anderen Nachbesserung einfließen können.“ Erste Beispiele hierfür seien inzwischen gestartet worden.

Das neue Reislager mit angrenzendem Silo-Hotel John & Will
Auf der Überseeinsel wurde neben dem neuen Reislager das weltweit einzigartige Silo-Hotel John & Will mit nachhaltigem Konzept erbaut. © WFB/Daniela Krause

Überseeinsel

Unser Spaziergang endet auf der Überseeinsel, die als wegweisendes Stadtentwicklungsprojekt bereits mehrfach ausgezeichnet worden ist. „Für die Überseeinsel haben alle Beteiligten ein sehr ambitioniertes Projekt ausgearbeitet. Es greift viele aktuelle Themen und Fragestellungen auf und reagiert, glaube ich, auf die guten und manche vielleicht auch verbesserungsfähigen Aspekte in der Überseestadt. Gerade auch auswärtige Gäste sind sehr interessiert, wie das Konzept hier nun in Realität umgesetzt werden kann“, berichtet Jörn Tore Schaper von seinen Führungen. Auf dem ehemaligen Frühstücksflocken-Fabrikgelände auf der Muggenburg sollen sich Straßen in den kommenden Jahren in grüne Oasen verwandeln, Plätze in gemütliche Treffpunkte und Stadtviertel in vielfältige Lebensräume, in denen Wohnen, Arbeiten, Lernen und Freizeit harmonisch ineinander übergehen.

Aus dem alten Reislager ist eine riesige Eventhalle mit Gastronomie und Hofladen geworden. In das frühere Kellogg-Verwaltungsgebäude zog eine Ganztagsschule ein und in den einstigen Getreidesilos entstand ein Hotel. Wind und Wasser liefern die benötigte Energie für das verkehrsarm geplante Areal. Die Architektur der Überseeinsel zollt der industriellen Vergangenheit des Ortes Tribut und gestaltet sich zugleich zukunftsorientiert und funktional. 

Das Bremer Zentrum für Baukultur

Das Bremer Zentrum für Baukultur ist ein gemeinnütziger Verein, der sich der Förderung und Pflege der Baukultur in und für Bremen widmet. Diesen Zweck erfüllt der Verein durch Aktivitäten in den Bereichen Vermittlung, Diskurs, Sammlung und Forschung. Zu den Haupttätigkeiten gehören Vorträge, Ausstellungen, Publikationen, die Pflege eines Plan- und Fotoarchivs sowie die Ausrichtung der Veranstaltungsreihe Bremer Stadtdialog. Die Räumlichkeiten des Vereins befinden sich Am Wall 165/167 in der Bremer Altstadt.

Architekturführungen in der Überseestadt

Für Gruppen bis maximal 25 Personen bietet das Bremer Zentrum für Baukultur regelmäßig Führungen durch die Überseestadt an. Eine Führung dauert je nach individuellen Wünschen zwischen zwei bis drei Stunden und kann zu Fuß, im eigenen Bus oder sehr gut auch per Fahrrad realisiert werden. Interessierte wenden sich an den Historiker und Kulturwissenschaftler Jörn Tore Schaper unter Telefon 0421/9602136 (Zeiten: montags bis freitags 10 bis 16 Uhr) oder melden sich per E-Mail an info@bzb-bremen.de.

Erfolgsgeschichten


Lebensqualität
11.07.2024
Inklusives Wohnen, Arbeiten und Erleben

Das BlauHaus ist ein bundesweit einzigartiges inklusives Wohnprojekt am Kommodore-Johnsen-Boulevard 11 in der Überseestadt. Die Menschen leben dort selbstbestimmt und in gemeinschaftlicher Verantwortung. Im Zentrum der Anlage hat der Verein Blaue Karawane e. V. mit der Blauen Manege einen Begegnungs- und Veranstaltungsort geschaffen.

Mehr erfahren
Stadtmarketing
19.06.2024
Vom Mäuseturm bis zum Marmorsaal

Bei einem Spaziergang durch die Überseestadt gibt es viele schöne Ecken zu entdecken. Wir stellen fünf unserer Lieblingsplätze vor.

Mehr erfahren
Gastronomie
30.05.2024
So schmeckt die Überseestadt

Die Gastronomie-Szene in der Bremer Überseestadt ist wahnsinnig vielfältig. Wir nehmen euch mit auf einen Streifzug durch die Küchen des Quartiers. Ob Cafés, Bistros, Bars, Restaurants oder Take Aways. Hier ist bestimmt für jeden Gaumen etwas Wohlschmeckendes dabei.

Mehr erfahren