Vertrieben, aber nicht vergessen
Die Silbermannstraße in der Überseestadt erinnert an den Bremer Kaufmann Sally Silbermann, der vor den Nationalsozialisten nach Uruguay floh.
Männer der SA postieren sich am 1. April 1933 vor dem Bekleidungsgeschäft der jüdischen Familie Silbermann an der Nordstraße in Bremen Walle. Es ist der der Tag, an dem der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte beginnt. Die Präsenz der SA-Männer soll die Menschen abschrecken. Doch das Geschäft der Silbermanns ist wie immer gut besucht. „Die Kunden ließen sich nicht beirren und bange machen, im Gegenteil, mit großen Kartons verließen sie das Geschäft“, erinnerte sich laut Unterlagen des Kulturhaus Walle Brodelpott eine ältere Dame, die diese Szene miterlebte.
Das Geschäft der Silbermanns war eines der größten an der Nordstraße. Drei große Schaufenster zierten den Blick zur Straße. Über den Schaufenstern stand in großen Lettern „Filiale M. Neuberg“. Sally Silbermann hatte das Bekleidungsgeschäft in den 20er-Jahren von der Familie Neuberg übernommen und weitergeführt. Stand eine Konfirmation an, machten sich die Waller auf den Weg zu Silbermanns Laden, wo es für diesen Anlass den passenden Anzug gab. Seine Kunden beschrieben Silbermann als großzügig. Das Sortiment war gut und günstig. Viele Jute-Arbeiterinnen kauften bei ihm ein, Waren ließ er auf Raten abbezahlen.
Anfangs hielten sich nicht alle Bürgerinnen und Bürger an den Boykott, doch die Situation spitzte sich schnell zu. Die Verdrängung der Juden aus dem Geschäftsleben schritt immer weiter an. So trat am 26. April 1938 die „Verordnung über die Anmeldung der Vermögen von Juden“ in Kraft. Es gehörte zu den mehr als 2000 Gesetzen und Erlassungen, mit denen das nationalsozialistische Regime die in Deutschland lebenden Juden schrittweise rechtlos machte. Am 19. September 1938 ordnete der amtierende Bürgermeister für Bremen, Bremerhaven und Vegesack eine Maßnahme zur Markierung jüdischer Läden an. Ein gelbes Banner mit dem Schriftzug „Jüdisches Geschäft“ sollte in den Schaufenstern angebracht werden.
Unauffällig verschwunden
Die Familie Silbermann hatte zu diesem Zeitpunkt das Land bereits verlassen: Am 14. September 1938 gelang ihr die Flucht nach Montevideo in Uruguay. Die Silbermanns seien „unauffällig und schweigend verschwunden“, berichtete ein älteres Ehepaar, das die Familie gut kannte. Einen Tag bevor sich Sally Silbermann mit Frau und Sohn auf den ungewissen Weg in die neue Heimat machte, schrieb er seinem treuen Mitarbeiter Heinrich Hasemann eine sehr wohlwollende Beurteilung, die diesem schnell zu einer neuen Anstellung verhelfen sollte. Ein Jahr nach ihrer Flucht brach der zweite Weltkrieg aus, drei Jahr später begann die systematische Deportation der Juden.
Im August 1944 wurde die Nordstraße – mitsamt dem Geschäft der Silbermanns – vollständig zerstört und in dieser Form nicht wiederaufgebaut (In Walle gibt es zwar wieder eine Nordstraße, aber an anderer Stelle). Zur Erinnerung an die Kaufmannsfamilie ist eine Straße in der Überseestadt nach ihr benannt worden. Die Silbermannstraße soll die Geschichte von Sally Silbermann – und das Schicksal aller jüdischen Kaufleute in Bremen zur Zeit des Nationalsozialismus – unvergessen machen.
Autorin: Benthe Stolz
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